Wir Sport- und Ernährungsmediziner mussten dazu lernen. Früher waren wir auch bei uns selbst der Ansicht, dass Bewegung, egal wie intensiv, auf alle Fälle zum Abnehmen führt. Stress stimuliert durch die Ausschüttung von Cortisol und die Erhöhung des Blutzuckers das Insulin und dann nimmt man zu und kann nicht stressfrei abnehmen.
Die einzige Messmethode ist bislang die Messung der Herz-Raten-Variabilität (HRV). Diese Messung kommt aus der Sportmedizin und hält nur sehr langsam Einzug in der klassischen Medizin, wie auch in der Komplementärmedizin. Aus dieser Messung können bestimmte Parameter zur Stressbelastung – und natürlich auch zum Thema Erholung – ausgelesen werden.
Ich persönlich bevorzuge eine zweimal tägliche Messung von je 4 Minuten (am Morgen und am Abend) über mindestens 10 Tage. Eine EKG-Ableitung über einen Brustgurt, der für die je 4 Minuten getragen wird, weitergeleitet in eine Cloud und dann grafisch ausgewertet. Die Daten sind für den User mittels Cloud-Zugang sowohl mobil als auch auf dem Desktop einsehbar. Gesund abnehmen kann man nur stressfrei.
Am wichtigsten ist …
Aus diesen 4 Werten lässt sich sehr gut die vegetative Situation (ob man stressfrei oder belastet ist) einer Person ermitteln.
Da die Anwender den Gurt zu Hause anlegen können, und die Daten in der Cloud landen, können sie natürlich ihre Wahrnehmung mit der Messrealität vergleichen.
Die meisten Personen meinen eine viel höhere Regeneration zu haben, als sie tatsächlich haben (höher, weiter, schneller Typen). Der Wert der Stressintensität resultiert aus der besonderen Regelmässigkeit des Herzschlages, also wenig Variabilität, so wie bei Leistungssportlern. Die haben unter Leistung auch einen sehr regelmässigen Herzschlag.
Vor ca. 15 Jahren sagte ich zu meinen Patienten mit einem regelmässigen Herzschlag, «es schlägt wie ein Schweizer Uhrwerk» = ganz toll. Blödsinn! Wenn die Abstände zwischen den Herzschlägen wenig variieren, also wenig variabel sind, ist der Tod nahe, sagt die chinesische Medizin. Das ist richtig, wie wir heute wissen – und lernen mussten.
Häufig haben die gestressten und wenig selbstwahrnehmenden Personen ein hohes biologisches Alter, kalendarisch 42 und biologisch 76 ist heute eher die Regel als die Ausnahme.
Heisst: Die Person lebt massiv über ihren Verhältnissen und braucht ihre Reserven auf.
Die Reserven stellen die Stresswiderstandsfähigkeit dar, also wie elastisch eine Person auf körperlich-geistig-emotionale Belastung reagiert.
«Ach, ich bin doch, fit. Hab mir den Jetlag schon abtrainiert». Nein das Stressniveau bleibt viele Tage hoch! Und zum «Ausgleich» ein Workout oder Joggen nach der Uhr, dann steigt der Stress über 100%.
Eine andere Bezeichnung für Vegetativum ist auch das «autonome Nervensystem» (ANS) oder das «vegetative Nervensystem» (VNS). Das bedeutet, dass alle Zielorgane und Regulationssysteme autonom, also automatisch sich selbst steuern. Es hat also sein Eigenleben und eigene Steuerungsgesetze, die wir selten wahrnehmen wollen. Ob man stressfrei ist, spürt man häufig nicht. Erst wenn es zuviel wird, dann merkt man den Stress.
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Beide werden über die Sinneswahrnehmungen wie hören, sehen, riechen, schmecken, fühlen getriggert. Dazwischen liegt noch das «Bewertungssystem» in unserem Hirn, was dann zur Entscheidung 1. oder 2. führt.
Forcierte Atmung führt automatisch zur Ausschüttung von Stresshormonen, was ja auch richtig ist. Hat aber eine Person schon hohe Mengen Stresshormone im Blut, wird sich seine Stressintensität (siehe oben HRV) noch weiter erhöhen. Die möglichen Folgen habe ich im letzten BP beschrieben. Die in unserer Zeit häufigste Erscheinung ist das Burnout-Syndrom als Ergebnis von fortwährendem und sich immer weiter kumulierendem Stress.
Stress verursacht noch mehr Stress
*Cortisol + Adrenalin sind Stresshormone
Insulin ist ein Schlüsselhormon, auch zuständig für die Einlagerung von Fettsäuren in die Fettzellen. Ist diese voll, bilden sich neue Fettzellen… Der Bauchumfang wächst.
Abgesehen vom Ess- und Trinkverhalten bei Stress. Denken Sie nur an die Süssigkeiten, an die versüssenden Cocktails, die wiederum den Insulinspiegel erhöhen und das nachhaltige gesunde Abnehmen automatisch verhindern.
Trotz eines erhöhten Grundumsatzes beim Sport kann die durch Stress entstandene Spirale nicht durchbrochen werden. Abgesehen davon blockiert der dabei entstehende Kumulationseffekt von Stresshormonen den Stoffwechsel. Der ja nun mal zuständig ist für Auf- und Abbau von den Fettzellen.
In meinem letzten BP «Digitale Stressfalle» habe ich meine Erfahrungen zur Lösung schon vorgestellt. Trotzdem möchte und muss ich nochmals darauf hinweisen, dass es in unserer eignen Verantwortung liegt, etwas zu verändern. Der Perfektionismus unserer Zeit, die multimedialen Ablenkungen, unsere wachsende Unfähigkeit bezüglich unserer fürsorglichen Selbstwahrnehmung und Abgrenzung werden den Anstieg der Stresshormone weiter pushen.
Sich fragen, ob man gestresst ist.
Ich bin ganz sicher, dass Sie das hinbekommen werden und Freude an der Veränderung haben.
Aber bitte: Ihre Geduld und Ausdauer sind dabei ganz wichtig.
Die Fortsetzung habe ich schon vorbereitet:
«Wie lässt Stress Grippe entstehen, und wie kann man sie am einfachsten heilend beeinflussen?»